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PRIIPs: Wenn das Informationsblatt eine Verständlichkeitswarnung enthält, stimmt etwas nicht mit der Kommunikation

Das Akronym mag lautmalerisch sein und den Anschein von Geschwindigkeit vermitteln – tatsächlich aber hakt es bei der bevorstehenden Einführung der „PRIIPs“ für die Investment- und Versicherungsbranche an mehreren Stellen. Die heftigste Kritik lautet, dass es den neuen Basisinformationsblättern für verpackte Anlageprodukte gerade an den Eigenschaften fehlt, weswegen sie eingeführt werden sollen: Transparenz, Vergleichbarkeit und vor allem Verständlichkeit. Ein Beitrag von Anke Limbach, Concedro, und Hagen Gerle, Gerle Financial Communications

PRIIPs – die Abkürzung steht für Packaged Retail Investment and Insurance Products, auf Deutsch: „Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte“. Im Wesentlichen sind PRIIPs Fonds, Versicherungspolicen mit einem Anlageelement (z.B. fondsgebundene Lebensversicherungen), Zertifikate, strukturierte Anleihen, börsengehandelte Futures und Optionen sowie nicht-börsengehandelte Derivate (beispielsweise Swaps). Alle Hersteller solcher Finanzprodukte müssen ab Januar 2018, eigentlich schon ab dem 31. Dezember dieses Jahres, ein Basisinformationsblatt (BIB) erstellen. Das Ziel des Gesetzgebers ist es, mit Hilfe dieser BIBs durch einheitliche Produktinformationen die jeweiligen Anlageprodukte vergleichbar zu machen, um damit den Anlegerschutz zu verbessern und das Vertrauen von Kleinanlegern in den Finanzmarkt zu stärken.

Der Gesetzgeber hat in der sogenannten PRIIPs-Verordnung genaue Vorgaben erlassen, wie die PRIIPs auszusehen haben. So darf nur der Hersteller das BIB anfertigen, nicht aber der Vertreiber. Der Vertreiber darf auch keine ergänzenden Informationen ins BIB einfügen, etwa zusätzliche Risikohinweise. Für Fonds gilt derzeit noch eine Übergangsfrist für das PRIIPs-BIB bis zum 31. Dezember 2019; solange darf das bestehende Key Investor Information Document (KIID) eingesetzt werden.

Soweit die Theorie. Doch gerade bei den angestrebten Zielen von PRIIPs – mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und Verständlichkeit im Finanzmarkt zu erreichen – hapert es noch gehörig. Und dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

Finanzindustrie tappte trotz Verlängerung acht Monate lang im Dunkeln

So empfinden sowohl die Hersteller als auch die Vertreiber von Finanzprodukten die Arbeitsweise der EU-Kommission als sehr frustrierend. Zwar wurde in Brüssel im November 2016 entschieden, den Start von PRIIPs um ein Jahr, auf 31. Dezember 2017, zu verschieben. Die Fristverlängerung ist aber nicht genutzt worden, um der Finanzindustrie zügig ihre Fragen zu beantworten oder die zu generell formulierten Vorgaben in der Verordnung zu konkretisieren.

So wurde beispielsweise erst im Juli 2017 ein Q&A herausgebracht. Die Industrie war also für den größten Teil des Jahres darauf angewiesen, nach bestem Wissen und Gewissen die Anforderungen in die Umsetzung zu bringen.

Für die Hersteller ist die im BIB geforderte Szenario-Analyse (Performance-Szenarien) eine große Herausforderung. Dabei sehen sie zum einen das Verbot einer past performance als kritisch an, zum anderen die Vorgabe, die Szenarien an einer empfohlenen Haltefrist auszurichten. Fondsgesellschaften können sich trotz Übergangszeit nicht ganz zurücklehnen: Sind ihre Fonds Teil einer Lebensversicherung (underlying investment option) und hat sich der Versicherer entschieden, die Kennzahlen gemäß der neuen PRIIPs-Verordnung zu berechnen, müssen die Fondshäuser den Versicherungen Rohdaten liefern. Dazu gehören zum Beispiel die Daten zur Berechnung des SRI (Summary Risk Indicator, SRI), den die Versicherung ausweisen muss.

Außerdem fordert die Verordnung einen sogenannten comprehension alert auf dem BIB, wenn das PRIIPs-Produkt „besonders schwer zu verstehen“ ist. Allerdings gibt es bisher keine konkreten Vorgaben, wann genau dieser Alarm gesetzt werden soll. Es besteht damit das Risiko einer uneinheitlichen Vorgehensweise, die dem Ziel der besseren Vergleichbarkeit zuwider läuft. Bei Fonds etwa stellt sich die Frage: Sollen Investmentprodukte mit Hedgefonds ähnlichen Strategien einen solchen Alert bekommen?

Vertrieb muss Inhalt von drei „Produktinformationspapierchen“ kennen

Die Ungewissheiten auf Herstellerseite erschwert es auch den Vertreibern, die Verordnung in ihren Prozessen umzusetzen. Zudem steigt für die Vertreiber der Aufwand: Das PRIIPs-BIB muss auch im beratungsfreien Vertrieb rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, also vor Anlageentscheidung bzw. Aufgabe der Order. Gleichzeitig ist eine Order aber zügig auszuführen, was jenseits der Online-Wege (z.B. Telefonorder) ein zu lösender Konflikt werden kann.

Somit gibt es mit PRIIPs nun drei „Produktinformationspapierchen“: das neue BIB, bis zum 31. Dezember 2019 noch das Fonds-KIID und für alle anderen Produkte (Aktien, klassische Anleihen) das PIB (Produktinformationsblatt gem. Wertpapierhandelsgesetz, WpHG) – jedes mit seinem eigenen Gesetzeshintergrund, den auch die Berater kennen, unterscheiden und beachten müssen.

Gegebenenfalls muss der Berater auch zusätzliche Informationen zum PRIIPs-BIB beachten, etwa in Ergänzung zur SRI-Kennzahl eine ausführlichere narrative Erklärung bei der Risikoaufklärung. Unter Umständen müssen zusätzliche Risiken erläutert werden, wie bspw. ein Währungsrisiko, das im SRI nicht explizit enthalten ist.

Gewichtige Kritik vom europäischen Fondsverband EFAMA

Der europäische Fondsverband EFAMA hat darüber hinaus drei Punkte bemängelt: das Fehlen einer Vergangenheitsperformance im BIB, die Methode zur Berechnung der Transaktionskosten und die mangelnde Vergleichbarkeit der Kosten. Und schaut man sich die Liste der Produkte an, die im Fokus von PRIIPs stehen, dann darf man die Vergleichbarkeit rein anhand eines BIBs sicher hinterfragen.

Bei der Zielmarktbeschreibung im BIB (intended Investor) ist ein Gleichschritt mit der Finanzmarktrichtlinie Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II) und deren Zielmarkt zu erwarten. Nimmt man nun beides zusammen, sollte ein Kunde, der nicht der Zielmarktbeschreibung entspricht, das Produkt besser nicht erwerben, beziehungsweise muss ein Berater eine Empfehlung für ein solches Produkt gut begründen. Viele Berater werden voraussichtlich, um auf der sicheren Seite zu sein, das Produkt erst gar nicht empfehlen. Das muss der Kunde verstehen, ohne sich jedoch bevormundet zu fühlen.

35 Seiten, 72 Fragen – aber keine einzige zur sprachlichen Verständlichkeit

Ob vor allem das Ziel der besseren Verständlichkeit mit dem BIB erreicht wird, darf stark bezweifelt werden. Ein gemeinsam von den drei europäischen Finanzaufsichtsbehörden ESMA, EBA und EIOPA im Juli 2017 vorgestellter Frage- und Antwortkatalog ist 35 Seiten lang und enthält 72 Fragen – aber keine einzige beschäftigt sich mit der sprachlichen Verständlichkeit des BIBs.

Kann man von einem dreiseitigen Informationsblatt mit den vorgegebenen „technischen Regulierungsstandards“ überhaupt erwarten, dass es einen Investor anlage- und anlegergerecht über Eigenarten, Risiken und die Unterschiede zwischen dem einen und dem anderen Finanzprodukt ausreichend und verständlich informiert? Ein comprehension alert führt ein solches Unterfangen völlig ad absurdum.

Die Einführung der PRIIPs offenbart also einmal mehr ein tiefgreifendes Kommunikationsproblem zwischen Fondsgesellschaften und ihren Kunden: Schon jetzt kollidiert die Nachfrage der Anleger nach mehr risikoadjustierten Erträgen und Diversifikation mit immer innovativeren, aber kaum verständlichen Produkten. Deshalb ist es vor allem notwendig, die Fachsprache der Finanzindustrie zu entmystifizieren. Fondsmanager müssen lernen, ihr technisches Wissen zu komprimieren und zu vermitteln. Wenn man die Überfrachtung durch Regularien mit ausgeklügeltem Produktdesign und einer zunehmenden Verbreitung von Anlagemöglichkeiten kombiniert, ist es offensichtlich, dass Fondsgesellschaften unter Druck geraten werden, effizienter mit ihren Investoren zu kommunizieren.

Noch ist Zeit, um Transparenz und Verständlichkeit der Informationsblätter zu verbessern. Wäre doch schade, wenn die Abkürzung PRIIP am Ende nur für Probably Really Irritating Investment Paperwork stünde.